Antwort auf Lenin und Bucharin – 2.8.1920

II. Kongreß der KI

Amadeo Bordiga

Die Einwände des Genossen Lenin gegen die von mir vorgelegten Leitsätze und gegen meine Argumente haben sehr interessante Fragen aufgeworfen, die ich hier nicht behandeln will und die das allgemeine Problem der marxistischen Taktik wieder aufgreifen.

Ohne Zweifel stehen die parlamentarischen Ereignisse und die Regierungskrisen in enger Beziehung zur Entwicklung der Revolution und der Krise der bürgerlichen Organisation. Damit aber die proletarische politische Aktion auf die Ereignisse Einfluß gewinnen kann, muß man auf die methodischen Erwägungen zurückgreifen, die die marxistische Linke der internationalen sozialistischen Bewegung schon vor dem Kriege veranlaßten, die Beteiligung an Ministerien und die parlamentarische Unterstützung bürgerlicher Ministerien abzulehnen, obwohl dies zweifellos Mittel waren, um den Verlauf der Ereignisse zu beeinflussen.

Es ist die Notwendigkeit, die revolutionären Kräfte der Arbeiterklasse zu einer Organisation für den Endkampf des Kommunismus zu vereinigen, die zu einer Taktik führt, die auf gewissen allgemeinen Aktionsregeln beruht, selbst wenn diese als zu einfach und zu wenig elastisch angesehen werden.

Ich denke, daß die heutige historische Mission uns eine neue und genau bestimmte Taktik vorschreibt, d.h. die Ablehnung der Teilnahme an den Parlamenten, was nicht mehr länger ein Mittel ist, um auf die Ereignisse im revolutionären Sinne einzuwirken.

Das Argument, daß das praktische Problem einer kommunistischen, der Parteidisziplin unterworfenen parlamentarischen Aktion zu lösen ist, weil man auch in der nachrevolutionären Periode verstehen muß, die verschiedensten Institutionen zu organisieren und dabei auf Menschen aus dem bürgerlichen und halbbürgerlichen Milieu angewiesen ist, dieses Argument könnte ebenso gut angeführt werden, um die Zweckmäßigkeit sozialistischer Minister unter bürgerlicher Herrschaft zu rechtfertigen.

Aber das ist nicht der Zeitpunkt, um tiefer in dieses Thema einzudringen und ich beschränke mich darauf zu erklären, daß ich meine Auffassung über die uns hier beschäftigende Frage aufrecht erhalte. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, daß es der KI nicht gelingen wird, eine parlamentarische und zugleich wahrhaft revolutionäre Aktion zustande zu bringen.

Schließlich, da ersichtlich ist, daß die von mir vorgeschlagenen Thesen sich auf rein marxistische Prinzipien stützen und nichts mit den anarchistischen und syndikalistischen Argumenten gegen den Parlamentarismus gemein haben, hoffe ich, daß nur die antiparlamentarisch gesinnten Genossen für sie stimmen werden, die diese Thesen als Ganzes und ihrem Inhalt nach akzeptieren und die marxistischen Überlegungen, Grundlage der Thesen, teilen.

II Congresso dell'IC – Dibattito sul parlamentarismo (replica)

Source Storia della Sinistra comunista II, 1972
Author Amadeo Bordiga
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