Aufruf gegen die faschistische Reaktion

Genossen!

In der gegenwärtigen tragischen Stunde ist es Aufgabe der Kommunistischen Partei, sich an Euch zu wenden.

In zahlreichen Städten und Regionen Italiens mehren sich die blutigen Zusammenstöße zwischen dem Proletariat und den regulären und irregulären Kräften der Bourgeoisie. Unter den vielen bekannten oder unbekannten Opfern muß die Kommunistische Partei den Verlust eines ihrer wertvollsten Militanten verzeichnen: Spartaco Lavagnini, der in Florenz auf dem verantwortungsvollen Posten, den er dem Proletariat und seiner Partei gegenüber innehatte, gefallen ist. Ihm und allen gefallenen Proletariern zum Gedenken sprechen die Kommunisten einen kämpferischen Gruß aus, und stärken sich an dem Beispiel ihrer Aktion und ihrer Überzeugung.

Die sich überstürzenden Ereignisse beweisen, daß das revolutionäre Proletariat Italiens unter den Schlägen der Reaktion nicht nachgibt. Es weicht nicht zurück vor der reaktionären Methode, die die bürgerliche Klasse und ihre Regierung seit einigen Monaten mit Hilfe der bewaffneten weißen Banden anwendet, die die nach ihrer Emanzipation strebenden Arbeiter gewaltsam angreifen. Aus dem roten Apulien, dem proletarischen Florenz und noch vielen anderen Zentren erreichen uns Nachrichten, die beweisen, daß das Proletariat es verstand, sich trotz der Unterlegenheit seiner Mittel und seiner geringeren Vorbereitungszeit zu verteidigen und seine Gegner anzugreifen.

Die Unterlegenheit unseres kämpferischen Proletariats - die zu verschweigen unnütz wäre -, rührt von seiner mangelnden revolutionären Organisierung her. Allein die kommunistische Methode kann dem Proletariat durch den Kampf gegen die alten Führer und ihre überholten Methoden der pazifistischen Aktion diese Organisation geben. Die Schläge der bürgerlichen Gewalt zeigen den Massen die Notwendigkeit, die gefährlichen Illusionen der Reformisten aufzugeben und sich derer zu entledigen, die einen sozialen Frieden predigen, der historisch unmöglich ist.

Aufgrund der Theorie und Taktik der Kommunistischen Internationale hat die Kommunistische Partei die klassenbewußten Kräfte des italienischen Proletariats dazu aufgerufen, sich zusammenzuschließen, zwecks jener Vorbereitung und Organisation, die dem Proletariat bislang gefehlt haben und sich bisher in demagogischer Prahlerei erschöpften. Sie predigt weder die Beruhigung der Gemüter noch den Verzicht auf Gewalt und erklärt den Arbeitern klar und deutlich, daß ihre Waffen nicht nur die metaphorischen oder abstrakten Waffen der Propaganda, der Überzeugung oder demokratischen Legalität sein können. Sie verkündet begeistert ihre Solidarität mit denjenigen Arbeitern, die auf die Offensive der Weißen mit den gleichen gewaltsamen Mitteln geantwortet haben. Die Kommunistische Partei weist die Arbeiter darauf hin, daß die Führer jener Organisationen, die scheinheilig vor dieser Verantwortung zurücktreten und die blöde Utopie eines zivilisierten und ritterlichen sozialen Kampfes verbreiten - über die sich der Feind nur zu Recht lustig macht -, die schlimmsten Feinde sind: denn sie tragen den Defätismus in die Massen und fördern immer dreistere Taten der Reaktion. Die Bourgeoisie führt heute den Kampf auf einem Boden, auf den sie durch die sie zerfleischende tödliche Krise unweigerlich getrieben wurde.

Die Losung der Kommunistischen Partei besteht darin, den Kampf auf genau demselben Boden aufzunehmen: der Vorbereitung mit der Vorbereitung zu begegnen, der Organisation die Organisation, der Disziplin die Disziplin, der Gewalt die Gewalt und den Waffen die Waffen entgegenzusetzen.

Dies ist die beste Vorbereitung für die Offensive, die die proletarischen Kräfte eines Tages unweigerlich gegen die bürgerliche Macht entfesseln werden und die den Epilog der heutigen Kämpfe bilden wird.

Die Aktion und die Vorbereitung müssen immer schlagkräftiger und planmäßiger werden und man darf dabei auch nicht die geringste Spur von demagogischer Rhetorik dulden. Wir können in der heutigen Lage jedoch nicht umhin festzustellen, daß es noch viel zu tun gibt, damit der proletarische Gegenschlag gegen die feindlichen Angriffe die Form einer allgemeinen und koordinierten Aktion annimmt, die allein den entscheidenden Sieg wird sichern können.

Um eine solche allgemeine, landesweite Aktion zu verwirklichen, könnte das Proletariat heute auf keine anderen als die alten, schon so oft angewandten Aktionsformen zurückgreifen. Die Führung dieser Aktionen würde angesichts des gegenwärtigen Entwicklungsstandes der Klassenorganisationen, wenn nicht vollständig, so doch größtenteils in den Händen jener politischen oder ökonomischen nationalen Organisationen liegen, deren Methoden und Strukturen nur zu neuen Enttäuschungen führen können. Sie würden die Massen auf einen Weg lenken, der zweifelsohne damit endet, von ihren Führern entweder gebremst oder im Stich gelassen zu werden, und dies ist so, weil die Reformisten nach wie vor wichtige Führungsposten in den Apparaten besetzen. Die Kommunistische Partei wird keine allgemeine Aktion unternehmen, die unter einer solchen Perspektive und in Verbindung mit solchen Elementen durchgeführt würde, es sei denn die Situation läßt ihr keine andere Wahl und zwingt sie zu einer solchen Aktion. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge vertritt die Kommunistische Partei die Auffassung, daß man keine Aktion im nationalen Maßstab befürworten darf, die von denjenigen geführt wird, deren Methoden nur zur Katastrophe führen können. Sollte es zu einer solchen Aktion kommen, so wird die Kommunistische Partei ihre Aufgabe erfüllen und die Gegner der Revolution in jeder Hinsicht strengstens überwachen, damit das Proletariat auf dem Höhepunkt seines Kampfes nicht verraten wird.

Die Kommunistische Partei gibt ihren Militanten daher heute die Anweisung, auf lokaler Ebene an allen Fronten den Angriffen der Weißen Widerstand zu leisten, die revolutionären Methoden zu verbessern und den Defätismus der Sozialdemokraten anzuprangern, denn letztere könnten irrtümlich von den weniger klassenbewußten Arbeitern für mögliche Verbündete in der Gefahr gehalten werden.

Es kann sein, daß die einzuhaltenden Richtlinien so bleiben werden oder auch verschärft werden müssen. In jedem Falle weiß die Zentrale der Partei, daß alle Kommunisten, vom ersten bis zum letzten, im Gedenken an unsere jüngsten Opfer und in voller Verantwortung als Vertreter der revolutionären kommunistischen Internationale ihre Pflicht gänzlich erfüllen werden.

Es lebe der Kommunismus! - Es lebe die Weltrevolution!

Kommunistische Partei Italiens

Kommunistischer Jugendverband Italiens

Source Il Comunista, n. 11, März 1921
Author PCd'I
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