Bericht der politischen Kommission. Diskussion (1)

 

Neunzehnte Sitzung des V. Weltkongresses der KI am 28. Juni 1924

1. Redebeitrag Bordigas

BORDIGA: Die Genossin Fischer hat soeben mit einem bewundernswerten Elan gegen die Resolution der italienischen äußersten Linken gesprochen, einem Elan, der in Anbetracht des Rufes einer sehr begeisterten Linken, den sie besonders infolge der Kämpfe, die sich in unserer deutschen Bruderpartei abgespielt haben, genießt, um so bewundernswerter ist.

Die Genossin Fischer wollte einerseits die Bedeutung unserer Stellungnahme übertreiben. Sie sagte, es sei dies ein Angriff gegen die gesamte Internationale, ein Kampf gegen die Exekutive.

Nein, Genossen, die Resolution, die ihr soeben gelesen habt, hat nicht den Sinn, den die Genossin Fischer ihr zuschreibt.

Nach einer so ernsten Einschätzung unserer Stellungnahme war aber die Genossin Fischer bestrebt, in bezug auf mich eine Einschätzung von gerade entgegengesetztem Charakter gelten zu lassen, mich der "Diplomatie" zu bezichtigen.

Da wir nun die Theorie der Pseudonyme eingeführt haben [Lachen], ist es klar, daß für die Genossin Fischer und für die Mehrheit und vielleicht auch für die Exekutive der Kommunistischen Internationale die Bezeichnung "diplomatisch" das Pseudonym einer erbitterten und harten oppositionellen Stellungnahme bedeuten kann; es ist wieder einmal die Verwendung eines Pseudonyms, wie es bei der Arbeiterregierung der Fall ist.

Die Genossin Fischer behauptet, daß unsere Resolution ein der Rechten der Internationale, den Opportunisten, erwiesener Dienst sei, indem wir sagen, daß nicht die Opportunisten die Schuldigen sind, sondern der 4. Kongreß und die Exekutive der Internationale. Die Frage darf aber nicht so behandelt werden. Wir hatten das Bedürfnis, eine Resolution zu unterbreiten, die sich von der in der Kommission beschlossenen unterscheidet, gerade weil wir der Ansicht sind, daß die von der Mehrheit beantragte Resolution keine genügende Gewähr gegen die Rechte und gegen die Gefahr eines Rechtsopportunismus bietet.

Es handelt sich um eine Tatsache. Die ausgearbeitete Resolution wird uns nicht die Möglichkeit geben, diese Rechte zu entlarven, bei der Abstimmung auf dem Kongreß zu zeigen, wo sie sich befindet, sie in einer Weise festzustellen, daß es möglich wäre, mit Erfolg der Gefahren vorzubeugen, die sich in der zukünftigen Tätigkeit der Internationale ergeben können.

Unser Fehler soll darin liegen, daß wir auf dem 4. Kongreß einen Standpunkt einnahmen, der unserm gegenwärtigen Standpunkt analog ist. Nun hat man aber, wenn auch stark gemildert und in einer Weise, die in der Resolution der Mehrheit ganz und gar nicht klar ist, aber immerhin festgestellt, daß man Resolutionen gefaßt habe, die einstimmig waren, aber nicht die gewünschte Garantie boten. Und trotzdem erklärte die Genossin Fischer zu Ende des 4. Kongresses genau so wie heute, daß der Kongreß nach links gegangen sei, daß es ein Fehler sei, wenn wir uns isolieren und uns durch extremlinke Resolutionen, die stärkere Garantien verlangten, absondern. Ich glaube, wenn es hier eine befremdende Stellungnahme gibt, ist dies nicht die unsrige, sondern die der Genossen von der deutschen Linken. Ihre Haltung entspricht nicht ganz den Vorgängen, die sich in dieser großen Partei, die von grundlegender Wichtigkeit für die Kommunistische Internationale ist, abgespielt haben. Ich glaube, daß es für die deutschen Kommunisten, für die revolutionären deutschen Arbeiter ziemlich befremdend sein wird, daß ihre Vertretung auf dem Kongreß der KI nach dem erbitterten Kampf, den sie gegen die Rechte geführt haben, für eine Resolution stimmt, zu deren Anhängern auch die Rechte gehört, ohne daß es möglich wäre, sie genau zu bezeichnen.

Man sagt uns: Ihr brecht die Einmütigkeit der Internationale. Nein, Genossen, unsere Stellungnahme folgt daraus, daß die Einmütigkeit künstlich, gerade das Gegenteil einer wahren und wirksam Einheit ist.

Wir haben das wiederholt festgestellt. Die Rechtsgefahr ist immer in der einmütigen Abstimmung verborgen, da die zweifelhaften opportunistischen Elemente der KI, die herkommen, um sich der Mehrheit anzuschließen, die sich mit Ausnahme der besonderen Angelegenheiten stets für die Exekutive, für die Internationale erklären, nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat fortfahren, eine gefährliche Tätigkeit zu entfalten, weil die gefaßten Resolutionen nicht. genügend klar sind, weil die hier festgesetzten Direktiven keine genügenden Waffen geben, sie an dieser opportunistischen Tätigkeit zu hindern.

Gegen dieses System wollten wir uns durch unsere Stellungnahme wenden. Wenn man uns nun sagt, daß wir der Rechten in die Hände arbeiten, so ist das wahrlich nur ein diplomatisches Manöver und nichts anderes. Wir hoffen, daß die Zukunft uns keine weiteren Mißerfolge der Internationale bei großen Kämpfen bringen wird, wir wollen aber trotzdem hier auf dem Kongreß feststellen, daß unseres Dafürhaltens die Garantien nicht genügend sind, und daß die KI noch weitere Schritte machen muß, um ihre Maßnahmen gegen die Gefahr des Revisionismus wirksamer zu gestalten. Unsere Haltung ist die gleiche wie auf dem letzten Kongreß. Es kann aber nicht in Abrede gestellt werden - wir stellen dies mit Freuden fest -, daß die Internationale einen Schritt in dieser Richtung gemacht hat. Das ermutigt uns, das berechtigt uns, unsern Standpunkt bis zum letzten Augenblick, wo dieser Standpunkt mit der Disziplin vereinbar ist, d. h. bis zur Abstimmung des Kongresses, aufrechtzuerhalten.

Wir glauben, daß wir in dieser Frage das Gegenteil von Diplomatie bekunden, indem wir uns der Klarheit und Aufrichtigkeit befleißigen, die bei einer Arbeit, die sich von wahrhaft revolutionären Erwägungen leiten läßt, notwendig sind. Aus diesem Grunde bedauern wir entschieden, daß wir allein stehen, und vor allem bedauern wir die Erklärung der Genossen von der deutschen Linken, nach der wir angeblich die Rechte unterstützen. Trotz allem glauben wir aber, daß es unsere Pflicht ist, unsere Resolution bis zur Abstimmung des Kongresses aufrechtzuerhalten. [Beifall bei der italienischen Delegation.]

 

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Author Amadeo Bordiga
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