Fortsetzung der Debatte über den Parlamentarismus

Amadeo Bordiga

Die Einwendungen des Genossen Lenin gegen die Leitsätze, die ich vorgelegt habe, und gegen meine Beweisgründe haben sehr interessante Fragen aufgeworfen, die ich hier selbst nicht berühren will und die das Gesamtproblem der marxistischen Taktik widerspiegeln.

Ohne allen Zweifel stehen die parlamentarischen Ereignisse und die Ministerkrise in enger Beziehung mit der Entwicklung der Revolution und der Krise der bürgerlichen Organisation. Damit aber die proletarische politische Aktion auf die Ereignisse Einfluß gewinnen kann, muß man die methodischen Erwägungen in Betracht ziehen, die die marxistische Linke der internationalen sozialistischen Bewegung schon vor dem Kriege veranlaßten, die Beteiligung an Ministerien und die parlamentarische Unterstützung bürgerlicher Ministerien abzulehnen, obwohl dies zweifellos Mittel waren, um auf die Entwicklung der Ereignisse Einfluß zu bekommen.

Die Notwendigkeit, die revolutionären Kräfte der Arbeiterklasse zu einer Organisation für den Endkampf des Kommunismus zu vereinigen, ist es, welche zu einer Taktik führt, die auf gewissen allgemeinen Aktionsregeln ruht, selbst wenn diese als zu einfach und zu wenig biegsam angesehen werden.

Ich glaube, daß die gegenwärtige historische Mission uns zu einer neuen, durch die Verhältnisse gegebenen Taktik führt, d. h. zur Ablehnung der Teilnahme an den Parlamenten: das ist ja nur ein Mittel, um auf die Ereignisse im revolutionären Sinne einzuwirken. Das Argument, daß das praktische Problem einer kommunistischen, der Parteidisziplin unterworfenen parlamentarischen Aktion gelöst werden muß, da man auch in der nachrevolutionären Periode Menschen des bürgerlichen und halbbürgerlichen Milieus wird organisieren und einordnen müssen, dieses Argument könnte ebenso gut angeführt werden, um die Zweckmäßigkeit sozialistischer Minister unter der bürgerlichen Herrschaft zu rechtfertigen.

Aber es ist nicht der Augenblick, um tiefer in dieses Problem einzudringen, und ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich meine Ansichten über das Argument, das uns beschäftigt, mir aufspare. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, daß es der Kommunistischen Internationale nicht gelingen wird, eine parlamentarische und zugleich wahrhaft revolutionäre Aktion zustande zu bringen.

Schließlich, da anerkanntermaßen die Thesen, die ich vorgeschlagen habe, sich auf rein marxistische Prinzipien stützen und nichts mit den anarchistischen und syndikalistischen Argumenten gegen den Parlamentarismus zu tun haben, so hoffe ich, daß von den antiparlamentarisch gesinnten Genossen, welche sie als Ganzes und in ihrem Geist annehmen, dafür gestimmt wird, da sie die marxistischen Behauptungen, welche den Inhalt der Thesen darstellen, teilen.

Achte Sitzung des II. Kongresses der KI / Abendsitzung vom 2. August 1920

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